Plakat in Buchladen. mit Porträt Günter Grass.

Ostermarschierer: Weil Grass Recht hat …


09.04.2012 | Auf vielen Kund­ge­bun­gen zum Oster­marsch wurde auch Bezug genom­men auf das Gedicht von Günter Grass »Was gesagt werden muss«. Grass fand Unter­stüt­zung in seiner Aus­sage, dass es kein Recht auf prä­ven­ti­ve Mi­li­tär­schlä­ge gibt und seiner For­de­rung nach einer atom­waf­fen­freien Zone im Nahen Osten. Israel hat inzwi­schen ein Ein­rei­se­ver­bot gegen Günter Grass ver­hängt, der is­rae­li­sche Innen­mi­nis­ter for­dert außer­dem die Ab­er­ken­nung des Lite­ra­tur­no­bel­prei­ses.


Während Jan Korte von der Partei »Die Linke« laut Spiegel-online in die Kritik an Grass einstimmte, unterstütze Wolfgang Gehrcke den Dichter: »Günter Grass hat den Mut auszusprechen, was weithin verschwie­gen wurde. Günter Grass beschämt die deutsche Politik, die weithin damit beschäf­tigt ist, die diplo­ma­ti­schen Folgen eines israe­li­schen Angriffs auf den Iran zu kalku­lieren, statt alles zu tun, um diesen Krieg zu verhindern und damit allen, den Israe­lis und Paläs­ti­nen­sern, mehr noch, allen Menschen, die in dieser vom Wahn okkupierten Region dicht bei dicht verfeindet leben, und letztlich auch uns zu helfen«.


Zu der medialen Kampagne gegen Günter Grass erklärte der Sprecher des Bundes­aus­schus­ses Friedens­rat­schlag in einer ersten Stellung­nahme:


Selten ist ein Lite­ra­tur­nobel­preis­träger von den Medien und der herr­schen­den Politik so schlecht behandelt worden wie Günter Grass nach Ver­öf­fent­li­chung seines Poems »Was gesagt werden muss«. Darin rückt Grass ein paar Tat­sa­chen ins rechte Licht, die hier zu Lande nur zu gern verschwiegen werden:


  • dass nicht der Iran, sondern Israel über Atom­waf­fen verfügt und somit in der Lage ist, den Iran zu ver­nich­ten;
  • dass nicht Iran, sondern Israel dem Atom­waf­fen­sperr­ver­trag nicht bei­ge­tre­ten ist und keiner­lei inter­na­tio­na­le Kon­trol­le über sein Atom­pro­gramm zulässt;
  • dass Deutschland mit der Lieferung eines weiteren Atom-U-Boots an Israel sich zum Bei­hel­fer eines mög­li­chen Prä­ven­tiv­krie­ges gegen Iran machen würde;
  • dass von der realen Atom­macht Israel eine Gefahr für den »brüchigen Welt­frieden« ausgeht;
  • dass die Politik des Westens gegenüber Iran und Israel von Heuchelei geprägt ist; und
  • dass, wer Israels Politik kritisiert, all zu leicht unter das Verdikt des »Anti­se­mi­tis­mus« fällt.


Den Beweis dafür lieferten post­wendend die ab­fäl­li­gen bis geifern­den und »empörten« Verrisse, die sich Grass gefallen lassen musste: Der noto­rische Islam­hasser Henrik Broder beschimpfte Grass als »Proto­typ des gebilde­ten Anti­semiten«, Micha Brumlik meint in einem taz-Kommentar, »der Grass von 2012« sei noch »schlimmer als ein Antisemit«, und die israe­lische Bot­schaft in Berlin stellt Grass in eine Tra­di­tions­linie des euro­päischen Anti­semi­tis­mus, der die Juden regel­mäßig vor dem Pessach-Fest des »Ritual­mords« angeklagt habe. Und die »Bild«-Zeitung titelt in bekannter Manier: »Irres Gedicht gegen Israel«.


Der Bundesausschuss Friedens­ratschlag findet nichts Irres und keine Spur von Anti­se­mi­tis­mus in dem Gedicht von Grass. Und da es in keinem der ablehnenden Kommen­tare um eine litera­rische Bewer­tung des Textes geht, sondern nur um dessen poli­tische Aussage, wollen wir dieser aus­drück­lich zu­stim­men. Die an diesem Wochen­ende statt­fin­den­den Oster­märsche der Friedens­bewegung sind dank­bar für die klaren Worte des Nobel­preis­trä­gers – auch wenn er womöglich bei seinem Gedicht nicht an die Friedens­be­we­gung gedacht hat. Grass Thesen decken sich mit den For­de­run­gen der Oster­mar­schie­rer, etwa wenn es in der Erklärung des »Friedens­ratschlags« heißt:


»Sofortiger Stopp aller Waffen­liefe­rungen in die Staaten des Nahen und Mitt­le­ren Ostens; dies schließt Schützen­panzer in die Verei­nig­ten Emirate genauso ein wie Kampf­panzer nach Saudi-Arabien oder U-Boote nach Israel.«

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Foto: A. Smolianitski



Jürgen Jung am Mikrofon.
  • Der Schauspieler Jürgen Jung rezitiert das Grass-Gedicht auf dem Ostermarsch in München (YouTube-Video)


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