Mädchen mit Taube.


Die Kommission Friedenspolitik der katholischen Friedens­bewegung pax christi verfol­gt die anhal­tende Eska­la­tion des Kon­flikts in Syrien zwischen dem Regime Baschar al Assads und der Protest­be­we­gung mit »Ent­set­zen und Besorgnis«.
 

In Syrien ist Vermittlung angesagt – nicht Drohung oder Scharfmacherei!


Abermals droht eine im Umfeld der arabi­schen Rebel­lion 2011 zunächst hoff­nungs­voll in Gang gekom­mene Bewe­gung des gewalt­freien Wider­stands gegen ein autori­täres Regime in einen Bürger­krieg umzu­schlagen.


Lange mag das massen­medial vermit­telte Bild brachia­ler staat­licher Repres­sions­gewalt gegen wehr­lose Demons­trant/innen weit­gehend zutref­fend gewesen sein. Inzwi­schen setzen aber auch Regime­gegner Maschinen­gewehre und Raketen ein und provo­zieren damit ein noch bruta­leres Zu­schlagen der »Sicherheitskräfte«.


Westliche Politiker und »Leitmedien«, denen im Traum nicht einge­fal­len war, die gewalt­freie Bewe­gung recht­zeitig, zuver­läs­sig und konstruk­tiv zu unter­stützen, hören verstärkt auf unver­söhn­liche Rufe nach einem bewaff­neten Eingrei­fen der »Welt­gemein­schaft« und drehen damit ihrer­seits an der Eskala­tions­spirale. Verwir­rende, nicht wirklich über­prüf­bare Gräuel­mel­dungen verschär­fen die Gegen­sätze und sollen Inter­ven­tions­bereit­schaft schaffen und eine Inter­ven­tion im Voraus recht­fer­tigen. In dieser Konflikt­ent­wick­lung zeich­net sich das gleiche Muster ab, das von anderen Kon­flikt­kon­stel­la­tio­nen, in die der Westen sich im vergan­genen Jahr­zehnt mili­tä­risch einge­mischt hat, bestens bekannt ist. Kosovo, Afgha­nis­tan, Irak und Libyen sind die Hauptstationen.


Militärisches Eingreifen in augen­schein­liche Unrechts­ver­hält­nisse zur Desta­bi­li­sie­rung von Herr­schafts­sys­temen, die sich ohne Repres­sion kaum halten kön­nen, die aber vor allem west­lichen Mäch­ten gegen­über die »geschul­dete« Hörig­keit vermis­sen lassen, führt zu unsäg­lich leid­vollen Bürger­kriegen und zu erneuter Aus­beu­tung und Unter­drü­ckung – dann durch Unrechts­regime von des Westens Gnaden. Was vor diesem Hinter­grund jetzt in Syrien am aller­wenigsten zu einer für alle Seiten halb­wegs akzep­tab­len Konflikt­rege­lung bei­tragen würde, ist eigen­interes­sen­ge­lei­tete partei­neh­mende Ein­mi­schung von außen.


Der Westen ins­be­son­dere muss seine Politik korri­gie­ren, darf sich nicht als Scharf­ma­cher betäti­gen, kann besten­falls als ehr­licher Vermitt­ler hilf­reich sein. Ein wich­tiges Kriterium ehr­licher Vermitt­lung ist der Verzicht auf Doppel­moral, sowohl bei der Beur­tei­lung und Bewer­tung der Konflikt­par­teien, wie bei den Leistungs­an­for­de­rungen an sie. Darüber hinaus ist in den Revo­lu­tions­wirren im arabischen Raum nicht nur das Ideal der Demo­kra­tie, der Selbst­bestim­mung der Völker zu vertei­digen, sondern auch das damit zutiefst verbun­dene Ethos der zivilen Konflikt­bear­bei­tung und der Gewalt­frei­heit, mit dem die Auf­stän­dischen dort ange­treten sind.


Wir erwarten von der europäischen und deutschen Außen­politik, dass sie in die Konflikt­lage in Syrien – und im Nahen und Mitt­le­ren Osten überhaupt – eine politische und diploma­tische Vermitt­lungs­tätig­keit einbringt, die sich durch Fairness und durch kritische – und nicht zuletzt selbst­kritische – Ausein­an­der­set­zung mit politi­scher Gewalt und Gewalt­andro­hung aus­zeichnet. Eine neue Wert­schätzung des bewährten Instru­men­tariums der OSZE und dessen umfäng­liche Inan­spruch­nahme könnten unseres Erachtens die Eska­lation stoppen, eine Deeska­lation in Gang setzen und damit eine konstruk­tive Bear­beitung der Konflikte befördern.


Dagegen würde ein Rückgriff auf kriege­rische Mittel – ein militä­risches Eingrei­fen von außen – die destruk­tive Konflikt­dy­na­mik außer­ordent­lich verschärfen und wie in Libyen zu einer wesent­lich fata­leren Opfer­bilanz und höchst frag­wür­di­gem »Erfolg« führen. Wir sind zutiefst über­zeugt, dass nur auf dem Weg des Verzichts auf Gewalt und Zwangs­macht zufrieden­stel­lende akzep­table Lösun­gen mit vergleichs­weise geringen mensch­lichen Opfern zu errei­chen sind.


Christof Grosse
Sprecher von pax christi-Kommission Friedenspolitik
Pforzheim, 17.01.2012


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